HOSI Linz warnt vor Missachtung gesellschaftlicher Warn- und Alarmsignale
Die HOSI Linz prangert an, dass internationale Gedenktage den Charakter eines Ablasshandels annehmen und der Tanz auf dem Vulkan weitergeht.
Linz (HOSI): „Unser Kernanliegen ist freilich die Lebenszufriedenheit von Lesben und Schwulen. Deshalb weisen wir auch immer wieder auf die doppelte Diskriminierung von Lesben als Frauen und gleichgeschlechtlich Liebende hin. Dass das kaum jemand wirklich interessiert, stellen wir fest, doch hängt da auch ein Stück Selbstreflexion dran: Sind wir als HOSI mit daran schuld, dass die Lesbenbewegung hierzulande gesellschaftspolitisch eher unauffällig ist“, gibt sich Vereinssprecher Rainer Bartel unzufrieden und selbstkritisch und kündigt eine gesellschaftsanalytische und -politische Informationsreihe der HOSI Linz an.
Bartel mahnt für die HOSI Linz mehr gesellschaftliche Analytik ein: „Gesellschaftsprobleme, verstanden als Probleme der Mitglieder mit ihrer Gesellschaft, haben ihre Wurzeln in extremen Ausformungen des jeweiligen Systems, Macht zu organisieren und Herrschaft zu begründen: Konkret meine ich insbesondere den Paternalismus. Ihm gelingt es immer noch, in Köpfen und Bäuchen zu verankern, die definierten Verhaltensmuster, die divergenten Rollen für Männer und Frauen, seien das Ideal. Tatsächlich bilden sie für viel zu viele noch die angenommene Norm, an eben der die Abnormitäten festgemacht werden. Das ist der Boden, auf dem Andersmachen und Stigmatisieren, Abwerten und Benachteiligen, Ausgrenzen und Entmenschlichen, Verfolgen, Quälen und Töten blühen.“
Ein zweiter Nährboden für die Fremdbestimmung der Privatheit ist das Tabu der Sexualität. „Von der Verbannung der Ausdrucksform Sexualität hinein in den Bereich der heterosexuellen Ehe rühren die Auswüchse her. Sie reichen von sexuellem Missbrauch Schwächerer, Unmündiger und Abhängiger über die Recht- und Machtlosigkeit von Prostituierten sowie die Fremdbestimmheit von Frauen in so manchem Familienverband bis hin zum Verbieten, Verräumen oder Verfolgen von Kunstwerken mit meist männlichen Akten – bei gleichzeitigem Sexismus in der Werbung“, so Bartel.
Der geschäftsführende Vorstand der HOSI Linz, Gernot Wartner, räumt ein, eine nicht-unterdrückte Sexualität könne die Probleme der Welt nicht lösen, aber viele davon grundsätzlicher angehen und wesentlich abmildern. „Wenn wir überschlagen, wem eine Enttabuisierung – nicht Entgrenzung – der Sexualität nützen könnten, dann sind wir bei der nummerischen Mehrheit der Bevölkerung, wenn auch bei keiner soziologisch maßgeblichen: die meisten heterosexuellen Frauen, die Lesben, Bisexuellen und Schwulen, nicht wenige Hetero-Männer und die Transsexuellen. Das ist wohl der Ansatzpunkt für gesellschaftspolitische Änderungen. Eine persönliche Emanzipation liegt theoretisch sehr nahe, aber allein der Begriff Emanzipation wurde der Frauen-, Lesben- und Schwulenbewegung durch Verunglimpfung als wirksames gesellschaftliches Instrument entwunden.“
Gernot Wartner wartet mit einer Erinnerung auf, die seines Erachtens keinesfalls Alibi- und Ritus-Charakter hat: „Es war, ist und bleibt für uns schmerzhaft, dass wir vor kurzem Helga Pankratz verloren haben. Sie war eine der wenigen wahren Frontfrauen der Bewegung. Es ist ihr gelungen, die gesellschaftstheoretischen Argumente mit dem praktischen Leben sehr gut zu verbinden.“
„Gerade heutzutage, wo es in der Nähe wie in der Ferne, so viele primär die Frauen betreffende Warn- und Alarmsignale gibt – von der Prekarisierung bis zur Entrechtung –, ist es töricht und unverantwortlich, wenn der Internationale Frauentag zum Ritus und Alibi verkommt. Und das meint die HOSI Linz in Solidarität mit den Frauen und dem Feminismus, der ja Männer nicht exkludiert“, schließt Wartner.
Für die HOSI Linz
gez. Dr. Rainer Bartel, Vereinssprecher