Offener Brief an Vizekanzler Mitterlehner: Ausweitung des Diskriminierungsschutzes (Levelling­up)

Per E­Mail: reinhold.mitterlehner@bmwfw.gv.at

An den Vizekanzler und Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft
Dr. Reinhold MITTERLEHNER

Sehr geehrter Herr Vizekanzler,

Medienberichten mussten wir entnehmen, dass die geplante Ausweitung des Diskriminierungs­schutzes (Levelling­up), also das Verbot von Diskriminierung etwa aus Gründen der Religion, des Alters und der sexuellen Orientierung auch außerhalb der Arbeitswelt im Ministerrat abermals am Einspruch der ÖVP gescheitert ist. Wir sind sehr enttäuscht darüber und verstehen diese Blockade nicht, zumal die Regierungsvorlage ja bereits beschlussreif ausverhandelt war und vor allem, weil uns das Rechtskomitee Lambda noch im Februar dahingehend informiert hatte, dass Sie am 11. Februar 2015 in einem persönlichen Gespräch zugesichert hätten, dass nach den Wirtschaftskammerwahlen eine Regierungsvorlage zum Diskriminierungsschutz außerhalb des Arbeitsplatzes kommen wird. Mit der neuerlichen Rückstellung der Beschlussfassung über die Regierungsvorlage kann das Levelling­up des Diskriminierungsschutzes nicht mehr vor dem Sommer beschlossen werden. Nicht nur, dass dieses Levelling­up auch seitens der Europäischen Union längst gefordert wird, sondern der Bund würde damit auch nur nachvollziehen, was auf der Ebene der Bundesländer mit Ausnahme Niederösterreichs bereits Standard ist. Uns erscheint diese Vorgehensweise der ÖVP auch deswegen fragwürdig und enttäuschend, weil doch zur Zeit der Eurovision Songcontest unter dem Motto “Building Bridges” zu Gast in Wien ist, der gerade nach dem letztjährigen Sieg von Conchita Wurst zu einem europaweiten Zeichen von Toleranz und gegenseitigem Respekt, aber auch für ein weltoffenes und tolerantes Österreich geworden ist. Diesen Respekt gegenüber den homosexuellen MitbürgerInnen und das Bauen von Brücken zu diesen Menschen vermissen wir daher umso schmerzlicher. Es wäre vielleicht auch nicht so enttäuschend für uns, würde sich diese Vorgehensweise nicht in eine lange Reihe von Enttäuschungen und gebrochenen Versprechungen seitens der ÖVP einreihen. All die kleinen und größeren legistischen Nadelstiche, die wir rund um die das Eingetragene Partnerschaftsgesetz hinnehmen mussten (und die zu einem nicht unbeträchtlichen Teil vor den Höchstgerichten keine Gnade fanden) sind ebenso unvergessen, wie die großartige Ankündigung, bis zum Sommer letzten Jahres eine vollständige legistische Gleichstellung herbeizuführen, die heute, ein Jahr später, immer noch nicht über den Status einer bloßen Ankündigung hinausgekommen ist. Auch gerade hinsichtlich des in dieser Hinsicht mehr als enttäuschenden neuen Parteiprogramms der ÖVP dürfen wir Sie darauf hinweisen, dass jede Form von Ungleichbehandlung von Menschen ein Unrecht ist – innerhalb und außerhalb der Arbeitswelt! Es gibt keine wie auch immer geartete Rechtfertigung für die Diskriminierung von Lesben und Schwulen, Gläubigen oder AtheistInnen, jungen oder alten Menschen, InländerInnen oder AusländerInnen: Alle von Diskriminierung betroffenen Menschen brauchen den gleichen Schutz und verdienen den gleichen Respekt durch die Gesellschaft und insbesondere durch die Politik.

Sehr geehrter Herr Vizekanzler, wir ersuchen Sie, uns ihre Entscheidung hinsichtlich der neuerlichen Rückstellung der Beschlussfassung über ein Levelling­up des Diskriminierungs­schutzes und ihre grundsätzliche Haltung hinsichtlich der Diskriminierung von Lesben und Schwulen zu erklären. Weiter appellieren wir an Sie, diese Entscheidung dringend zu revidieren und auch die Versprechungen betreffend die vollständige rechtliche Gleichstellung umgehend legistisch zu konkretisieren.

In der Hoffnung auf eine positive Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüßen Für die HOSI Linz

Stefan Thuma. Vereinssprecher
Elisabeth Landl, Organisationsreferentin

Linz, den 20.05.2015

Foto: ÖVP/Jakob Glaser

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